Veredelung von Bäumen, bzw. Sorten vermehren
Wenn man sich eine bestimmte Obstsorte in den eigenen Garten pflanzen möchte, ist der übliche Gang ins Gartencenter. Dort kauft man sich dann z.B. den gewünschten Apfelbaum der Sorte Cox-Orange mit der gewünschten Wuchsstärke.
Aber woher kommt die Sorte eigentlich?
Die Sorte ist nicht im Kern enthalten
Obwohl ich auf einem kleinen Obstbaubetrieb aufgewachsen bin, war mir sehr lange nicht bewusst, dass die Sorte, nicht im Kern steckt. Ich hatte tatsächlich angenommen, wenn ich den Apfelkern eines Gravensteiner-Apfels zum Keimen bekomme, wächst da ein Gravensteiner-Baum. Völlig falsch.
Die Sorte ist dagegen - vereinfacht ausgedrückt - im Holz enthalten.
Arten der Veredelung
Drei Methoden
Es gibt drei wesentliche Methoden um eine Sorte zu veredeln. Welchen Weg man wählt hängt von den Gegebenheiten ab. Hat man junge Unterlagen? Möchte man auf einem alten Baum eine neue Sorte "anbringen"?
Nachfolgend die drei wichtigsten Methoden kurz erklärt:
- Kopulation ist eine Veredelungsmethode, bei der ein Edelreis und eine Unterlage durch direkte Verbindung miteinander verbunden werden.
- Okulation, auch als Augenveredelung bezeichnet, ist eine Methode, bei der eine einzelne Knospe (Auge) einer gewünschten Sorte auf eine Unterlage übertragen wird.
- Pfropfen ist ein allgemeiner Begriff für verschiedene Veredelungsmethoden, bei denen Teile einer Pflanze (wie Edelreiser oder Knospen) auf eine Unterlage übertragen werden, um eine neue Pflanze zu erzeugen.
Warum überhaupt veredeln?
Veredeln vs. Baum kaufen
Man kann berechtigterweise infrage stellen, warum man überhaupt selbst einen Baum veredeln möchte, wenn man sich genauso gut einen "fertigen" Baum im Gartencenter kaufen kann.
Wenn man einen bestehenden Baum auf eine andere Sorte umveredeln möchte, oder mehrere Sorten auf diesem Baum haben möchte, ist die Antwort einfach.
Anders verhält es sich in meinem Fall: Ich brauche sowieso Jungpflanzen in bestimmten Sorten, die sich zum Brennen gut eignen. Ich habe nämlich ein Auge auf die Sorten Palmischbirne und Oberösterreichische Weinbirne geworfen, die ich gerne selbst anbauen möchte.
Vorteile, wenn man selbst veredelt:
- deutlich günstiger, als 3-jährigen Baum bei einer Baumschule zu kaufen,
- es ist einfacher an die Sorten-Edelreiser zu kommen, als die Bäume zu bekommen.
Nachteile:
- wenn das Veredeln geklappt hat, ist der Baum erst 1-jährig.
- Es braucht also Geduld, viel Geduld.
Weite Reise für die Reiser
Ökowerk Emden, Ostfriesland muss aushelfen
Da die Natur bei uns im Süden mal wieder viel zu früh dran war (und ich zu spät) - habe ich hier in unserer Region keine Reiser mehr bekommen. Der Baumschnitt war größtenteils schon abgeschlossen. Ich musste also meine Fühler weiter ausstrecken.
Es war schlussendlich eine Google-Recherche, die mich auf das Ökowerk Emden gebracht hat. Die haben ein großes Faible für alte Obstsorte und konnten mich mit meinen Wunschsorten Palmischbirne und Oberösterreichische Weinbirne versorgen.
Schon irgendwie witzig, dass die Oberösterreichische Weinbirne erst über Emden zu mir kommt. 😅
Kopulation - der erste Versuch
G'schwind einen Lehrgang gemacht
Für den ersten Versuch hatten wir uns vorgenommen Unterlagen der Sorte Kirchenseller auf Palmischbirne und Oberösterreichische Weinbirne umzuveredeln. Die Unterlage gibt quasi vor, wie viel PS der Baum haben wird, also wie groß er wird. Die Sorte ist die Karosserie. (Um das ganze mal in eine Metapher auszudrücken).
Wir haben uns für die vermutlich einfachste Veredelungsmethode entschieden, die Kopulation. Damit wirklich Nichts schiefgeht, hat eine befreundete Landwirtin meinem Vater und mir einen Schnell-Lehrgang gegeben. Für meinen Vater war es eine Auffrischung und für mich komplett neu.
Gar nicht so einfach...
Wenn man sich im Vorfeld YouTube-Tutorials anschaut, sieht Kopulation eher einfach aus. Pustekuchen, ich fand es nicht einfach einen perfekten Diagonalschnitt zu machen. Man hält einen Ast (also die Unterlage oder den Edelreiser), setzt dann ein sauscharfes Messer an und muss dann (beherzt und entschlossen!) einen diagonalen Schnitt machen - und am besten so, dass man sich nicht Daumen oder die Pulsadern am Handgelenk auf ritzt.
Zögerliches Schneiden hat dazu geführt, dass der gerade Diagonalschnitt eher einem Parabelschnitt gleicht. Gut, dass Unterlagen und Edelreiser ausreichend lang sind, dass man ein bisschen üben kann. Leider haben wir es völlig verpennt Fotos zu machen - daher kann ich nur mit einer theoretischen Darstellung aus einem historischen Werk dienen:
Voll zufrieden!
Und es ist geglückt! Auf 17 veredelten Unterlagen sind 15 Edelreiser erfolgreich angewachsen.
Das ist für den Erstversuch eine hervorragende Quote.
Es dauert noch einige Jahre, bis ich von diesen jungen Bäumen eine ausreichende Menge Birnen ernten kann, um daraus einen Obstbrand zu brennen. Dann wird es heißen, die Palmischbirne oder die Oberösterreichische Weinbirne als Obstbrand zu veredeln. Ich freue mich schon darauf, wenn sich dann der "Veredelungskreislauf" schließt. 😀
Autorin Andrea
Ich brenne nicht nur für mein Leben gerne - sondern teile auch gerne mein Wissen, Erfahrung und Leidenschaft. In meinen Blogbeiträgen nehme ich Dich mit in den Alltag in unserer Brennerei und auf unseren kleinen Obstbaubetrieb. Natürlich gibt es zwischendurch auch Drinks zu genießen.
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