Hagelsturm 2023
Am Mittwoch, 12.07.2023, wurde unsere Region von einem heftigen Hagelgewitter überrascht. Wie aus dem Nichts ist es über unsere Region hinweggezogen. Bei uns auf dem Hof hatten die Hagelkörner eine Größe von Haselnüssen, also bedenklich. Nach wenigen Minuten war das Spektakel schon vorüber.
Wir, also meine Eltern, mein Mann und ich, haben uns direkt auf den Weg in unsere zwei Obstplantagen gemacht, um nach den Schäden zu sehen. Die erste Anlage, der sog. Kreuzbühl, hat deutliche Fruchtschäden. Auf der Wetterseite haben nahezu alle Äpfel große Dellen. Als makelloses Tafelobst für den Supermarkt also nicht mehr zu gebrauchen. Das ist natürlich ärgerlich, aber kein Weltuntergang. Schon in der Vergangenheit hat es unser Obst verhagelt, dennoch hatten wir immer genug für unseren Bedarf. Schließlich liegt unser Fokus nicht auf der Produktion von Tafelobst.
Danach ging es in unsere zweite Obstanlage, der sog. Orsinger. Schon auf der Fahrt dorthin dünkte uns Böses. Obwohl das Gewitter bereits über eine halbe Stunde vergangen war, lagen die Gräben und Wiesen noch voll von Hagelkörnern - und immer noch mit einer Größe von Haselnüssen. Was ging hier vor sich?
Der Anblick unserer Obstanlage hat uns dann wirklich die Sprache verschlagen. Unter unseren Füßen knirschte der Boden vor lauter Hagelkörnern. Unter den Bäumen lag das ganze Obst. Es sah aus, als hätte man mit Schrotflinten auf die Bäume geschossen. Auf der Wetterseite hängen entweder keine Früchte mehr oder das verbliebene Obst ist völlig zerschossen. Die Blätter sind weg oder durchlöchert und die Knospen für nächstes Jahr sind nicht mehr vorhanden. An den Bäumen ist die Rinde an mehreren Stellen aufgeplatzt. Baumschäden in dieser Form haben wir noch nie gesehen.
Die Wunden an der Rinde sind sehr bedenklich, da sie den Baum für Krankheiten besonders anfällig machen, was schlussendlich dazu führen kann, dass ein Baum stirbt. Die Bilder zeigen das Ausmaß des Hagelgewitters - ca. 75% dieser Anlage sieht so aus:
Die ein oder andere Träne ist bei uns geflossen. Nicht wegen des finanziellen Schadens, den können wir im Moment eh nicht abschätzen, sondern wegen der Machtlosigkeit. Es ist nicht nur Geld, sondern insbesondere Zeit, die jeder Landwirt in seine Bäume investiert. Und irgendwie hat man auch eine Beziehung zu seinen Bäumen. Es schmerzt einfach, wenn ein Baum kaputtgeht. Jeder, der mal einen Baum gepflanzt hat und über Jahre heranwachsen sah, wird das nachempfinden können.
Was machen wir jetzt?
Erste Maßnahme - Bäume "verarzten"
Der allerersten Maßnahme hat sich mein Vater gewidmet, und zwar dem Ausbringen des Fungizids Malvin mit dem Wirkstoff Captan, das gegen mehreren Krankheiten vorbeugend wirkt. Und zwar: Apfel- und Birnenschorf, Obstbaumkrebs, Kelch- und Fruchtfäulen, Gloeosporium, Monilia und Botrytis. Außerdem hilft das Mittel bei der Verkorkung und Heilung von Risswunden auf der Fruchtoberhaut. Dieses Pflanzenschutzmittel ist uneingeschränkt im integrierten Obstbau einsetzbar. Was "Integrierter Obstanbau" bedeutet, erkläre ich mal in einem anderen Blog-Beitrag. Kurz gesagt: Integrierter Obstanbau ist ein Mittelweg zwischen konventionellem und biologischem Anbau - seit Jahrzehnten Standard in Deutschland.
Zweite Maßnahme - "Nachsorge"
Die zweite Maßnahme ist das Ausmisten. Wir kontrollieren jeden Baum und entfernen faules Obst. Der Hintergrund: Oft hängen Äpfel in Grüppchen am Baum. Wenn einer von drei fault, steckt er früher oder später die andern beiden an. Deswegen muss der Faule raus, damit zumindest noch die andern beiden Äpfel etwas werden können. So mal zumindest der Plan.
Allerdings fault gerade sehr viel, denn das wechselhafte Wetter mit regelmäßigen Regenschauern begünstigen die Fäulnis.
Inwieweit sich diese Arbeit lohnt, müssen wir noch beobachten. Jetzt, zwei Wochen nach dem Hagel, stellen wir leider fest, dass die Bäume das verbliebene Obst teilweise abwerfen. Möglicherweise steckt der Baum seine ganze Kraft in die Wundheilung, statt in die zusätzliche Obstproduktion.
Sorge um die Ernte 2024
Der völlig übertriebene Hagelsturm dieses Jahr hinterlässt einen Schaden, der uns auch um die Ernte kommendes Jahr bangen lässt. Denn wir haben hier nun drei Baustellen:
Baumschäden
Die Risse an den Ästen der Bäume sind enorm und zahlreich und machen den Baum nun sehr anfällig für Krankheiten. Wir hoffen einfach, dass wir die Bäume einigermaßen gut durchbekommen und sie uns nicht sogar noch ganz kaputtgehen.
Knospen fehlen
Der Hagel hat teils die Knospen für nächstes Jahr regelrecht weggeschossen. Wo keine Knospe ist, kann auch kommendes Jahr nichts mehr blühen, bzw. wachsen.
Austrieb/Blüte im Herbst
Wir erkennen leider jetzt schon, dass die Bäume neu austreiben - sprich, sie verhalten sich, als wäre Frühling. Sie bilden also neue Jungtriebe und Blütentriebe. Doch die Knospen, die nun austreiben, sind eigentlich die Jungtriebe für den nächsten Frühling. Wir hoffen, dass die verbliebenen Knospen nicht alle diesen Frühherbst austreiben, damit zumindest noch ein kleines bisschen im kommenden Frühling blühen kann.
Warum haben wir kein Hagelnetz wie andere Obstbauern?
Diese Frage ist absolut berechtigt und wird uns aktuell häufig gestellt. Und die Antwort ist eigentlich leicht: Wir bewirtschaften lediglich 2 Hektar.
Meine Eltern haben die Landwirtschaft immer nur im Nebenerwerb betrieben und waren also wirtschaftlich nicht abhängig vom Ertrag. Gleichzeitig liegt unser Fokus nicht auf Tafelobstproduktion. Wenn also Teile der Äpfel Dellen oder Schönheitsfehler haben, können wir damit leben. Ein Hagelnetz kostet pro Hektar ca. 35.000 € - Der Ertrag eines Hektars muss also hier im Verhältnis zur Investition stehen. Bei uns würde sich das nie rechnen. Außerdem: Das Wetter wird immer öfter extremer - so ein Hagelnetz steht auch nicht jedem Sturm stand.
Solange die Hagelschäden im Schnitt erträglich bleiben, kommt ein Hagelnetz für uns nicht infrage. Sollten sich solche Hagelstürme wie dieser jedoch häufen und zu einem jährlichen Phänomen werden.... ich habe keine Ahnung, was wir dann machen.
Wie groß der Schaden schlussendlich sein wird, können wir aktuell nur schwer einschätzen. Die Ernte wird dünn ausfallen, und wie viele Blütenansätze wir nächstes Jahr haben werden, sehen wir erst im Frühjahr. Und inwieweit unsere Bäume mit den Schäden durchkommen werden, sehen wir erst in den kommenden Monaten. Wir lassen es auf uns zukommen. Den Teufel an die Wand mal bringt jedenfalls nichts. 🙂
Eine Landwirtschaft ist nun mal der Natur ausgeliefert, man kann da nur bedingt gegensteuern. Und solche Ereignisse zeigen eigentlich wieder mal, wie wertvoll Lebensmittel eigentlich sind, bzw. sein sollten. 🙂
Autorin Andrea
Ich brenne nicht nur für mein Leben gerne - sondern teile auch gerne mein Wissen, Erfahrung und Leidenschaft. In meinen Blogbeiträgen nehme ich Dich mit in den Alltag in unserer Brennerei und auf unseren kleinen Obstbaubetrieb. Natürlich gibt es zwischendurch auch Drinks zu genießen.
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